„Es kommt auf unsere Stärken an“

Die Bedeutung der gesetzlichen Interessenvertretung für Betriebe und Standort nimmt weiter zu: WKÖ ­Präsident Harald Mahrer über Prioritäten der Wirtschaftskammer­ – und Aufgaben für ganz Österreich.

Herr Präsident, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren 2024 fordernd. Die Rezession bleibt uns wahrscheinlich erhalten. Wie bringen wir unsere Wirtschaft wieder in Schwung?

Wir dürfen die Dinge weder schönreden noch schlechtreden. Es geht darum, anzupacken und besser zu machen, was wir besser machen können. Als Wirtschaftskammer haben wir dafür gesorgt, dass es dafür bestmögliche und vor allem berechenbare Rahmenbedingungen gibt.

2024 sind wichtige Entlastungen und Erleichterungen für die Betriebe der unterschiedlichen Größenordnungen in Kraft getreten. Und auch im neuen Regierungsprogramm wurden die Weichen Richtung Wirtschaftsaufschwung gestellt und Wünsche nach Vermögenssteuern und andere Belastungen für Betriebe aufs Abstellgleis befördert. In der Politik hat sich flächendeckend die Einsicht durchgesetzt, dass wir jetzt alles für den Aufschwung tun müssen. Das muss auch so bleiben.

Bild: Präsident Mahrer auf einen Tisch beim sprechen © WKÖ | Peter Rigaud

Die Stimmung in der Wirtschaft bleibt gebremst …

… Das ist angesichts der internationalen Entwicklungen auch kein Wunder. Betriebe brauchen Berechenbarkeit und Planbarkeit, und genau daran mangelt es auch international. Gleichzeitig gilt: Wirtschaft ist immer auch Psychologie. Es geht darum, welche Erwartungen wir an die Zukunft haben und wie wir über die Zukunft denken und reden. Das ist auch eine Frage des öffentlichen Diskurses. Das Ausnutzen schlechter Stimmung ist vielleicht kurzfristig gut für jene, die das tun, aber schlecht für unsere Wirtschaft und für unser Land.

Daher mein Appell: Reden wir bitte Österreich nicht schlecht. Wir haben hervorragende Unternehmen mit erstklassigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir schreiben internationale Erfolgsgeschichten. Wir haben der Welt viel zu bieten – mit einem Exportvolumen von über 191 Milliarden Euro. Reden wir mehr über unsere Stärken. Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer ist deshalb als Botschafter fürs Anpacken und Bessermachen wichtiger denn je.

Was muss konkret für mehr wirtschaftliche Dynamik passieren?

Wir brauchen einen nationalen Schulterschluss für mehr Leistung, weniger Belastung und vor allem für internationale Offenheit. Was meine ich damit?

Erstens, wir müssen unsere an sich gute Leistungskultur weiterentwickeln. Von den Schulen bis zur nachberuflichen Phase. Es muss immer und überall klar sein: Leistung ist ein individueller und sozialer Wert, der uns weiterbringt. Und kein Problem oder gar Übel, das es zu vermeiden gilt. Deswegen war es uns auch so wichtig, dass Leistungsträger entlastet, Mitarbeiterprämien verbessert, steuerfreie Überstunden ausgeweitet werden und Arbeiten im Alter attraktiver wird.

Zweitens, wir brauchen weniger Belastungen. Es kostet den Staat genau nichts, wenn ich unnötige Bürokratie streiche und auf mehr Eigenverantwortung setze. Wenn ich als Unternehmer immer nur nachdenken muss, wie ich am besten bürokratische Verpflichtungen erledige, dann läuft was schief. Das ist ganz schlecht für die Stimmung und für den unternehmerischen „Spirit“, etwas anzupacken und umzusetzen. Entbürokratisierung in allen Bereichen ist Pflicht, nicht Kür. Die Abschaffung der Belegpflicht für kleine Beträge ist dafür ein gutes erstes Signal.

Bei Ihrem dritten Punkt, der internationalen Offenheit: Stimmt da das Mindset im Land?

Österreich hat allen Grund, ein selbstbewusstes, weltoffenes Land zu sein. Wir haben der Welt kulturell und wirtschaftlich viel zu bieten – und leben sehr gut davon. Das sollten wir uns noch viel mehr bewusst machen.

Wir fördern als Wirtschaftskammer Export, Internationalisierung und Innovationsorientierung unserer Wirtschaft offensiv. Der Export ist ein wichtiges Fundament unseres Wohlstands. Unsere Unternehmen sollen auf neuen internationalen Märkten gutes Geld verdienen können.

Unser neues Haus der Österreichischen Wirtschaft in Brüssel - AT60 in der Avenue de Cortenbergh 60 ist die erste Adresse für neue internationale Erfolgsgeschichten. Da stellen wir unsere Unternehmen in die europäische „Auslage“ und ermöglichen ihnen attraktive Kontakte. Gleichzeitig geht es darum, dass wir ausreichend internationale Fachkräfte in Österreich bekommen – und auch hier haben wir im Regierungsprogramm wichtige Weichenstellungen durchgesetzt. Denn wir müssen offen für alle sein, die etwas leisten und Österreich weiterbringen wollen.

Worauf kommt es 2025 an?

Wir in der Wirtschaft brauchen eine vernünftige, berechenbare Regierung, die auch ein klares Bild davon vermitteln kann, wie Österreichs Zukunft aussehen soll. Wir brauchen ein Zukunftsbild für Standort und Land – und dazu werden wir als Wirtschaftskammer auch sehr konkrete Grundlagenarbeit leisten. Denn das sehen wir auch als Teil unserer Verantwortung für die Zukunft. Ein Zukunftsbild, das die breite Bevölkerung anspricht, das orientiert und motiviert — in der richtigen Balance aus Realismus und Optimismus.

Wie soll und muss sich die Wirtschaftskammer weiterentwickeln?

Eine starke, exzellente und zukunftsorientierte Interessenvertretung der Wirtschaft ist ein Schlüsselfaktor für wettbewerbsfähige Unternehmen und einen erfolgreichen Standort Österreich in Europa. Wir sind für die gesamte Wirtschaftslandschaft im Land da — von Startups, EPU, KMU und Familienbetrieben bis zu Industrie- und Leitbetrieben. Wir sind da, wo unsere Mitglieder und der Standort uns jetzt und in Zukunft brauchen.

In diesem Sinn sind und bleiben wir auf Zukunftskurs – als schlagkräftige Interessenvertretung und als führender Think tank für standortpolitische Zukunftsfragen. Auf diese Stärken kommt es mehr denn je an. Wichtig ist mir auch, dass wir noch breiter in die Gesellschaft hineinwirken und die Bedeutung von Wirtschaft und Betrieben für Gesellschaft und Wohlstand noch sichtbarer ins öffentliche Bewusstsein rücken. Alle müssen wissen, dass Wirtschaft letztlich wir alle sind – und dass es von uns allen abhängt, wie unsere Zukunft aussieht.